Ziele und Nutzen der Terraristik
Terraristik bereitet Menschen Freude
Wie bereits ausgeführt, ist die Tierhaltung aus Faszination, Tierliebe und biologischem Interesse ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, vergleichbar mit anderen kulturellen Bedürfnissen wie Musik, Sport, Literatur und bildender Kunst. Manche Menschen empfinden Begeisterung, Befriedigung und Freude, wenn sie Fußball spielen oder anderen beim Fußballspielen zuschauen, wenn sie sich in Museen an den Meisterwerken der Maler vergangener Epochen oder zeitgenössischen Installationen erfreuen können, oder wenn sie im Konzert zu Popmusik tanzen oder einer Oper lauschen. Andere empfinden Ähnliches, wenn sie daheim beobachten, wie ein Gecko eine Grille fängt, wie ein Laubfrosch nachts nach einer Partnerin ruft oder wie eine Schlange lautlos über einen Ast gleitet. Wofür Menschen sich begeistern, woran sie Freude empfinden, womit sie gerne ihre Zeit verbringen, ist kaum steuerbar. Leidenschaft für bestimmte Dinge und Aktivitäten ist etwas sehr Grundsätzliches des Menschseins. Es gehört zur freien Persönlichkeitsentfaltung nach Artikel 2 des Grundgesetzes. Terraristik ist also bereits als reiner Selbstzweck positiv zu bewerten. Es gibt aber auch eine Reihe von Gründen, die darüber hinausgehen und die im Folgenden dargestellt werden.
Terraristik dient der Wissenschaft
Viele Erkenntnisse über die Tiere wildlebender Arten können nur durch Beobachtung ihrer Lebensäußerungen gesammelt werden. In der freien Natur sind solche Verhaltensbeobachtungen extrem aufwendig, kostenintensiv und teils schlicht unmöglich. Viele Daten, wie etwa zur Reproduktionsbiologie, sind durch reine Feldstudien kaum oder gar nicht zu gewinnen oder nur durch das Töten unverhältnismäßig vieler Tiere. Ganz anders stellt sich die Situation im Terrarium dar. Viele Erkenntnisse über das Verhalten, die Lebensweise und die Fortpflanzungsbiologie können hier mit erheblich geringerem Aufwand gewonnen werden. Ein großer Teil des Wissens über das Verhalten von Amphibien und Reptilien, über das wir heute verfügen, rührt daher aus Terrarienbeobachtungen. In Zoos oder anderen wissenschaftlichen Einrichtungen sind aber auch gezielte Studien sehr personalintensiv. Die Vielzahl privater Halter, die aus reiner Begeisterung solche Beobachtungen tätigt, ist groß. Terrarianer haben daher wichtige Teile des Wissens über Amphibien und Reptilien beigetragen. Gerade im deutschsprachigen Raum ist die enge Zusammenarbeit zwischen Privathaltern und Wissenschaftlern sehr traditionsreich, wie sie beispielsweise auch in der DGHT als Zusammenschluss von professionellen Herpetologen und privaten Haltern ihren Ausdruck findet (siehe Kapitel 3). Auf diese Weise dient Terraristik in erheblicher Weise dem Wissenszuwachs über Tiergruppen, die sonst nur wenig Beachtung fänden.
Terraristik dient dem Artenschutz
Die Erkenntnisse, die aus der Terraristik gewonnen werden, sind wiederum von großer Bedeutung für Natur- und Artenschutzprojekte. Ohne die genaue Kenntnis der Lebensweise und Reproduktionsbiologie von Tieren sind zielgerichtete Artenschutzprojekte sehr schwierig und oft ineffizient.
Zusätzlich zu Schutzprojekten in den natürlichen Lebensräumen sind oft Nachzucht- oder Ranchingprojekte unumgänglich, weil die betreffenden Arten in der Natur bereits zu selten geworden sind, einem hohen Jagddruck unterliegen oder beispielsweise durch Krankheiten wie dem „Froschpilz“ Batrachochytrium dendrobatidis gefährdet sind. In solchen Fällen können Erhaltungszuchtprojekte als direkte Überlebenshilfe für Arten unumgänglich sein. Beispiele hierfür sind Galapagos- und Seychellen-Riesenschildkröte (Aldabrachelys, Chelonoides), Annam-Sumpfschildkröte (Mauremys annamensis), Wirtelschwanzleguane (Cyclura), El-Hierro-Rieseneidechse (Gallotia simonyi), Round-Island-Taggecko (Phelsuma guentheri) und -Boa (Casarea dussumieri), Axolotl (Ambystoma mexicanum), Panama-Stummelfußfrosch (Atelopus zeteki) und Antillen-Ochsenfrosch (Leptodactylus fallax). Dies sind nur einige Arten bzw. Unterarten von Amphibien und Reptilien, die nur oder wesentlich dank der Nachzucht in menschlicher Obhut vor dem Aussterben bewahrt werden konnten.
Zahlreiche weitere in der Natur gefährdete Arten werden in Terrarien sowohl von Zoos als auch von privaten Liebhabern in großer Zahl nachgezüchtet und bilden somit sogenannte „Backup-Populationen“, sodass ggf. für Auswilderungsprojekte Tiere zur Verfügung stünden oder ausreichend Sachwissen gesammelt werden konnte, damit bei Bedarf gezielte Nachzuchtprojekte erfolgreich durchgeführt werden können. Terraristik ist damit eines der wichtigsten Instrumente im Artenschutz für Amphibien und Reptilien.
Terraristik dient der Umweltbildung und dem Engagement für Naturschutz
Auch jenseits konkreter Artenschutzbemühungen dient Terraristik dem Naturschutz, indem sie Menschen näher an die Natur und die Lebensweise von Tiergruppen heranführt, die oft wenig populär und mit Vorurteilen behaftetet sind. Durch in Terrarien gehaltene Amphibien und Reptilien erhalten viele Menschen einen näheren Eindruck von diesen Tieren und können so Ängste abbauen und die Faszination, die von ihnen ausgeht, erkennen sowie Verständnis für ihre Gefährdung entwickeln.
Auch lassen sich viele ökologische und biologische Fragestellungen an im Terrarium gehaltenen Tieren studieren und vermitteln, vom Schulvivarium über Schauterrarien in Zoos bis hin zu Privatanlagen.
Sehr viele Menschen, die sich im Natur-, Tier- und Artenschutz für Amphibien und Reptilien engagieren, haben über die Terraristik zu diesen Tiergruppen gefunden und dort erste Erfahrungen mit ihnen gesammelt. Die intensive Beschäftigung mit Amphibien und Reptilien daheim führt oft zu weiter reichendem Engagement für den Schutz und den Erhalt der Tiere und ihrer Lebensräume auch in freier Natur.
Terraristik ist von wirtschaftlicher Bedeutung
Terraristik ist natürlich auch von kommerzieller Bedeutung. Eine ganze Reihe von Menschen verdient ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise mit ihr: z. B. Hersteller von Terraristikzubehör, Angestellte im Zoohandel, Züchter, Mitarbeiter von Schauanlagen, Börsenbetreiber, Futtertierzüchter, Importeure, Fänger und Exporteure in den Ursprungsländern.