Geschichte der Terraristik
In vorchristlicher Zeit und im Altertum war die Haltung von Amphibien und Reptilien noch sehr rudimentär. Anders als Säugetiere oder Vögel können sich diese wechselwarmen Tiere nicht ohne Weiteres an die menschlichen Lebensbedingungen anpassen. Ihnen fehlt oft auch die Lernfähigkeit, sich zu ihrem eigenen Vorteil eng an Menschen zu binden. So blieb ihre Haltung lange Zeit beschränkt auf ihre natürlichen Verbreitungsgebiete.
In Mitteleuropa mussten Schlangen, Echsen oder Frösche ferner Länder in Behälter gesetzt werden, um sie zu halten. Dort Bedingungen herzustellen, die ihren Ansprüchen genügten, war schwierig, weil sie als Wechselwarme maßgeblich von den äußeren Klimabedingungen in viel stärkerem Maße abhängen als Warmblüter. Auch fehlte im Mittelalter das Interesse, und speziell Amphibien und Reptilen galten überwiegend als gefährlich oder mit dem Teufel im Bunde. Mit der Zeit der Aufklärung trat ein freundlicheres Naturverständnis in die mitteleuropäische Kultur.
18. Jahrhundert
Erste Berichte über die gezielte Haltung von Amphibien und Reptilien reichen in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Einer der Urväter der Terraristik im deutschsprachigen Raum war Rösel von Rosenhof (1705–1759). Für sein Buch „Historia naturalis ranarum nostratium – Oder Die Natürliche Historie der Frösche hiesigen Landes“ hielt er bereits einige der Tiere zeitweise bei sich, vor allem um sie besser zeichnen zu können. Auch Johann Matthaeus Bechstein (1759–1822) erwähnt in seiner 1797 erschienenen „Naturgeschichte der Stubenthiere“ bereits eine frühe Terraristik. Um 1800 herum kamen mit der boomenden Schifffahrt erste lebende Reptilien aus anderen Kontinenten in den deutschsprachigen Raum.
19. Jahrhundert
In der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen sich erste Händler zu etablieren, die Tiere aus fernen Ländern an Interessierte in Mitteleuropa verkauften, darunter auch Amphibien und Reptilien.
Ein Meilenstein bei der Popularisierung der Vivaristik war der Aufsatz „Der See im Glase“ von Emil Adolf Rossmässler, der 1856 in der damals sehr populären Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ erschien. Darin wurde erstmals ein Aquarium beschrieben, aber der Artikel führte ganz generell zu einem deutlich gesteigerten Interesse daran, Tiere wie Fische, Amphibien und Reptilien zur Beobachtung und um Freude daran zu haben, zu Hause zu pflegen. Etwa in diese Zeit fiel 1869 auch die Eröffnung des „Berliner Zoo Aquariums“ an der Straße „Unter den Linden“, wo neben Fischen auch Amphibien und Reptilien gezeigt wurden, was das Interesse an der Terraristik weiter anfachte. 1876 wurde „Isis. Zeitschrift für alle naturwissenschaftlichen Liebhabereien“ gegründet, die auch als Mitteilungsorgan der jungen Gemeinschaft der Vivarianer diente; sie erschien bis 1889.
Das erste reine Terraristik-Buch kam im Jahre 1884 auf den Markt. Johann von Fischer, der Direktor des Düsseldorfer Tierparks, war der Autor von „Das Terrarium – seine Bepflanzung und Bevölkerung – Ein Handbuch für Terrarienbesitzer und Tierhändler“ (das Buch wurde 1989 anlässlich des 25-jährigen Bestehens der DGHT als Reprint noch einmal neu aufgelegt). Darin finden sich schon erstaunlich vielfältige Beobachtungen zu einem breiten Spektrum an Arten von Terrarientieren.
Nun begannen sich die Terrarienfreunde zunehmend untereinander zu vernetzen. Der erste vivaristische Verein war die am 3.5.1882 gegründete „Aquarienvereinigung der Naturfreunde zu Gotha“, als erster explizit auch terraristische Verein folgte am 7.9.1888 der „Verein der Aquarien- und Terrarien-Freunde zu Berlin“ (der sich später in „Triton, Berlin“ umbenannte und bis 2015, also 127 Jahre lang, Bestand hatte). Eine erste, von den Privathaltern dieses Vereins organisierte Terrarienausstellung fand im August 1890 im Grand Hotel am Alexanderplatz in Berlin statt. Mehr als 7.000 Besucher sahen die Schau, für damalige Verhältnisse ein enormer Erfolg. 1890 erschienen auch die ebenfalls zunächst maßgeblich von den Aquarien- und Terrarien-Freunden zu Berlin betreuten „Blätter für Aquarien- und Terrarien-Freunde“ als erste rein vivaristische Zeitschrift.
Trotz dieser zunehmenden Popularisierung krankte die Terraristik damals vor allem an den fehlenden technischen Möglichkeiten, den wechselwarmen Pfleglingen die erforderlichen Klimabedingungen im Terrarium langfristig anbieten zu können. Als revolutionär erwies sich deshalb um das Jahr 1900 der „Tofohr-Ofen“ von Otto Tofohr, ein mit offener Flamme arbeitendes Heizungssystem, das erstmals eine gezielte Beheizung von Terrarien erlaubte. Damit war die Terraristik endgültig im deutschsprachigen Raum etabliert, der hierbei eine Vorreiterrolle einnahm, die lange anhielt. Die Terraristik ist also eng mit dem technischen Fortschritt verknüpft, denn ohne technische Hilfsmittel lassen sich die meisten Amphibien und Reptilien zumindest in unserem mitteleuropäischen Klima nicht dauerhaft in menschlicher Obhut halten und vermehren.
20. Jahrhundert
Kurze Zeit später, nämlich 1907, erschien das nächste wegweisende terrarienkundliche Werk, „Das Terrarium“ von Paul Krefft. 1907 kam mit der „Lacerta“ die erste rein terrarienkundliche Zeitschrift hinzu, als Beilage der 1904 gegründeten „Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde“. Ein erster eigenständiger Terrarienverein schließlich wurde von eben jenem Otto Tofohr im Januar 1908 gegründet, der „Bund der Terrarienfreunde“.
An beidem, der „Lacerta“ ebenso wie dem „Bund der Terrarienfreunde“ war Willy Wolterstorff (1864–1943) maßgeblich beteiligt. Der „Vater der Molche“, wie er später genannt werden sollte, beschäftigte sich seit seiner Jugend mit der Haltung von einheimischen Schwanzlurchen. Später studierte er zwar Geologie, seine Leidenschaft aber galt weiterhin schwerpunktmäßig der Zoologie. Mit seiner Anstellung 1891 am Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Magdeburg verlagerte er seinen Schwerpunkt immer mehr in die Molchforschung. 1890 übernahm er die Schriftleitung der „Blätter für Aquarien- und Terrarien-Freunde“. Auf seine Anregung hin wurde am 1.4.1918 der „Salamander, zwanglose Vereinigung jüngerer Terrarien- und Aquarienfreunde“ gegründet. Es handelte sich dabei um den weltweit ersten Zusammenschluss von Terrarianern und Wissenschaftlern. Der „Salamander“ überstand die Kriegs- und Nachkriegsjahre sowie die Teilung Deutschlands, bis seine West-Mitglieder 1964 beschlossen, ihn in „Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde“ (DGHT) umzubenennen. Federführend dabei war wiederum ein Verbund aus Berufsherpetologen und Hobbyterrarianern. Zu den Initiatoren gehörten u. a. der bis heute wohl bekannteste deutsche Herpetologe, Robert Mertens (1894–1975) vom Frankfurter Senckenbergmuseum sowie der bis zu seinem Lebensende begeisterte Hobbyterrarianer Alfred A. Schmidt (1923–2016). Die enge Zusammenarbeit zwischen Hobbyterraristik, professioneller Wissenschaft, Zoos und Naturschutz, wie sie in der DGHT seit der Gründung des „Salamander“ vor über 100 Jahren praktiziert wird und bis heute den Kern dieser weltweit größten terraristisch-herpetologischen Vereinigung ausmacht, ist charakteristisch für die Terraristik des deutschsprachigen Raums und ein ganz außergewöhnliches Merkmal.
Dennoch blieb auch die traditionsreiche Nähe von Aquaristik und Terraristik stets bestehen. Viele weniger spezialisierte Vereine außerhalb der DGHT widmen sich bis heute beiden Disziplinen. Viele von ihnen sind im VDA organisiert, dem Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde.
Terraristik in der DDR
Nach der deutschen Teilung ging die Terraristik in der DDR einen vergleichbaren Weg; auch hier war er gekennzeichnet durch die enge Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Terrarianern. Bereits direkt nach Kriegsende wurde 1945 der „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ gegründet, 1949 wurden auch naturkundliche Vereine in diese Massenorganisation eingeschlossen. Unter seinem Dach wurden ab 1950 Fachgruppen für Aquarien- und Terrarienvereine eingerichtet. Diese erfreuten sich großer Beliebtheit, bot der Kulturbund für einen geringen Mitgliedsbeitrag doch eine beachtliche Unterstützung, z. B. in Form von Räumlichkeiten für Treffen, aber auch durch Papierkontingente, um Zeitschriften oder Bücher drucken zu können, was in der DDR stets problematisch war. So erschienen schon 1951 erste „Rundbriefe für Aquarien- und Terrarienkunde“, 1953 dann die populärwissenschaftliche Fachzeitschrift „Aquarien und Terrarien“, die extrem erfolgreich war. Noch 1989 wurden mehr als 70.000 Exemplare im Monat verkauft, und immer gab es mehr Interessenten als Hefte, die wegen des chronischen Papiermangels nicht bedient werden konnten. 1963 erhöhte die Terraristik in der DDR ihre Eigenständigkeit durch die Gründung der Zentralen Arbeitsgruppe (ZAG) „Terrarienkunde und Feldherpetologie“. Erst 1978 aber kam es zur vollständigen Trennung von den Aquarianern und damit zu einem eigenständigen Zentralen Fachausschuss (ZFA) Terraristik. Damit war der Weg frei für eine ausschließlich terraristische Fachzeitschrift. So wurde 1979 vom ZFA Terraristik erstmals die „elaphe“ herausgegeben. Nach dem Ende der DDR 1990 ging der ZFA Terraristik in der DGHT auf, und die elaphe wurde zunächst eingestellt, bald darauf aber wieder als Mitgliederzeitschrift der DGHT neu aufgelegt, die bis heute erscheint, ab 2012 in Fusion mit der Terraristikzeitschrift „Terraria“ und seit Ende 2018 wieder unter dem Namen „elaphe“ als reine Informationsschrift der DGHT. Die wirtschaftliche Isolation des „Ostblocks“ führte dazu, dass es in der DDR recht schwierig war, an viele exotische Tiere jenseits der sozialistischen Bruderländer zu kommen. Umso intensiver bemühten die Terrarianer sich um alle Arten, die eingeführt werden konnten, und erreichten so trotz vieler technischer Einschränkungen bemerkenswerte Nachzuchterfolge. Vom hohen Niveau der Terraristik in der DDR zeugte nicht nur die „elaphe“, sondern auch das 1984 erschienene, bahnbrechende „Lexikon der Terraristik und Herpetologie“ von Fritz Jürgen Obst, Klaus Richter und Udo Jacob – auch das eine Kooperation von professionellen Herpetologen und Terrarianern.
Terraristik in der BRD
Mit den Wirtschaftskrisen und den beiden Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte das gerade bei breiteren Bevölkerungsschichten aufblühende Hobby Terraristik mehrfach schwere Rückschläge erlebt, aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfuhr es auch in der BRD einen beständigen Aufschwung. Materialien für den Terrarienbau wie Glas oder Metalle wurden nun für jedermann erschwinglich und verfügbar, ebenso wie künstliche Beleuchtung und Heizungsmöglichkeiten. Damit wurde es plötzlich möglich, den Bedürfnissen der wechselwarmen Amphibien und Reptilien auch in mitteleuropäischen Häusern und Wohnungen gerecht zu werden. Die fortschreitende Erschließung der Welt mit einer Infrastruktur, die weit entfernte Regionen immer enger an Europa rückten, führte dazu, dass Tiere aus anderen Kontinenten viel schneller und schonender zu uns gelangten und somit in einem gesundheitlichen Zustand hier eintrafen, der es bei vielen Arten überhaupt erst ermöglichte, sie erfolgreich halten zu können.
So entwickelte sich die Terraristik in Mitteleuropa über die 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre beständig weiter. Im Vergleich zur Aquaristik oder Vogelhaltung war sie zwar immer noch eine kleine Nische für besonders biologisch interessierte Enthusiasten, die viel Erfindungsreichtum und Fingerspitzengefühl benötigten, aber der technische Fortschritt und eine sich stets weiter entwickelnde Infrastruktur aus Vereinen, Händlern und Literatur half den Haltern, ihren Pfleglingen gleich von Anfang an immer bessere Bedingungen anbieten zu können, sodass die Haltungsergebnisse stetig besser wurden. Zunehmend gelang es jetzt nicht nur, Amphibien und Reptilien über längere Zeit am Leben und gesund zu erhalten, sondern auch, sie nachzuzüchten. Durch Informationsaustausch und fortschreitende Erkenntnisse konnten immer mehr Arten erfolgreich gehalten und vermehrt werden, die einstmals als un- oder schwer haltbar galten. Das vielleicht beste Beispiel dafür sind Chamäleons. Berichten frühe Terraristikbücher bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts überwiegend von Haltungsproblemen und Hinfälligkeit dieser spektakulären Echsen, gehören einige Arten inzwischen zu den populärsten und am häufigsten gehaltenen und nachgezüchteten Reptilien überhaupt. Die neben der Kornnatter wohl häufigste Schlange in Privathaltung, der Königspython (Python regius), galt noch bis Ende der 1980er-Jahre als kaum haltbar, heute wird er in Hunderten Farb- und Zeichnungsvarianten in praktisch beliebiger Menge gezüchtet.
1990er
In den 1990er-Jahren erlebte das Hobby der Terraristik einen regelrechten Boom. Die Terrarientechnik war nun so ausgereift und problemlos erhältlich, dass jedermann, ähnlich wie lange zuvor schon in der Aquaristik, durch einfachen Kauf von entsprechendem Zubehör im Zoohandel in der Lage war, nahezu alle Reptilien- und Amphibienarten erfolgreich zu halten. Immer mehr Fachliteratur erschien, die das in den Jahrzehnten zuvor gesammelte Wissen zu sehr vielen Arten gebündelt und vielfach in der Praxis erprobt für jeden Halter zugänglich machte. Zahlreiche Stadtgruppen der DGHT, im VDA zusammengeschlossene Aquarien- und Terrarienvereine sowie andere Interessengemeinschaften, vivaristische Stammtische und zunehmend häufiger werdende Börsen und schließlich das Internet ermöglichten es den Terrarianern, untereinander in Kontakt zu treten und Erfahrungen auszutauschen.
Inzwischen haben sich ein paar dutzend Arten an Amphibien und Reptilien herauskristallisiert, die besonders beliebt sind und auch problemlos unter Terrarienbedingungen gedeihen und sich vermehren. Einige davon wurden nun nicht mehr nur aus biologischem Interesse gehalten oder aus dem Bedürfnis heraus, sich „ein Stück Natur ins Haus zu holen“, sondern zunehmend wie die bereits etablierten Haustiere behandelt.
Als deutliches Zeichen dafür ist die gezielte Zucht von Farb- und Zeichnungsvarianten zu werten, die sich bei einigen Arten rasend schnell entwickelte und ganz neue Haltergruppen für die Terraristik interessierte.
21. Jahrhundert
Mit dieser „Normalisierung“ der Terraristik zu einem gewöhnlichen Bereich der Heimtierhaltung gingen aber auch die von anderen Haustieren bereits bekannten Probleme einher. Die leichte Verfügbarkeit verführte Halter, sich nicht ausreichend zu informieren und sich unbedacht Terrarientiere nach Hause zu holen, die sie rasch überforderten oder für deren Haltung ihnen schlicht die nötige Fachkunde fehlte. Wie wir es auch von Hunden, Katzen, Vögeln und Fischen kennen, gab es also zunehmend Probleme mit durch falsche Haltung bedingten Erkrankungen oder mit „überschüssigen“ oder gar ausgesetzten Tieren. Da trotz der Popularisierung der Terraristik Amphibien und Reptilien für die breite Öffentlichkeit immer noch etwas sehr Exotisches sind und zudem speziell gegen diese Tiergruppen oft auch viele Vorurteile und sachlich unberechtigte negative Gefühle vorherrschen, und nicht zuletzt natürlich auch, weil einige Terrarientiere tatsächlich für den Menschen gefährlich werden können, wurde die öffentliche Diskussion um die Terraristik in den letzten Jahren teilweise in hohem Maße unsachlich, bis hin zu von Tierhaltungsgegnern, Tierrechtlern und manchen Tierschützern geforderten Haltungsverboten. Dass viele Probleme, die in Verbindung mit der Terraristik auftreten, bei allen anderen Heimtiergruppen mindestens ebenso häufig verbreitet sind, meistens sogar weitaus stärker, geriet dabei oft aus dem Blickfeld.
Umso wichtiger ist es, dass die Terrarianer selbst ihre Verantwortung erkennen und danach handeln. Zum Wohl ihrer Pfleglinge ebenso wie zu ihrem eigenen, denn die größte Freude bereiten nun einmal gesunde, richtig gehaltene Tiere. Das war vor 150 Jahren nicht anders als heute.